Was ist ein Formel-1-Paydriver? Alles über den umstrittenen Begriff (2024)

Motorsport ist einer der teuersten Wirtschaftszweige der Welt. So hat Red Bull für die Teilnahme an der Formel-1-Saison 2024 satte 7.445.817 Dollar bezahlt.

Aber auch auf nationaler Ebene sind die Kosten hoch: Teams zahlen bis zu 29.000 Pfund für einen Platz in der Startaufstellung der britischen GT-Meisterschaft. Daher ist es nicht verwunderlich, dass einige Motorsportteams einen sogenannten Paydriver einsetzen - ein Konzept, das in der Branche einzigartig ist.

Was ist ein Paydriver in der Formel 1?

Ein Paydriver bezeichnet im Motorsport jemanden, der quasi umsonst fährt, weil er dem Team Geld bringt und nicht vom Team bezahlt wird. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie der Fahrer zu diesem Geld kommen kann, sei es über sein eigenes gut gefülltes Bankkonto, über Geld von Angehörigen oder über einen Sponsor.

Niki Lauda zum Beispiel bezahlte 1971 einen Formel-2-Sitz bei March, nachdem er ein Bankdarlehen aufgenommen hatte. Lawrence Stroll bezahlte Williams, um seinem Sohn Lance einen Formel-1-Platz für die Saison 2017 zu verschaffen. Fünf Jahre später schaffte es Guanyu Zhou dank Sponsoren aus seinem Heimatland China den Aufstieg

Für Teams ist die Formel 1 eine teure Angelegenheit. Die niedrigste Antrittsgebühr für die Saison 2024 beträgt 736.737 Dollar im Falle von Haas, weshalb einige Konstrukteure bisher auf einen Paydriver angewiesen waren, um in dem Sport zu überleben.

So ging Forti Corse 1996 in Konkurs, nachdem es Ende des vorangegangenen Jahres seinen Paydriver Pedro Diniz verloren hatte. Forti blieb während seiner Saison ohne Punkte.

Paydriver sind oft bei sogenannten Hinterbänklern zu finden, denen es an finanziellen Mitteln mangelt. Da Williams vor dem Eigentümerwechsel 2020 ebenfalls unter Geldmangel litt, engagierte das Traditionsteam im 21. Jahrhundert oft einen Paydriver.

Im Jahr 2018 stellte mit Sergei Sirotkin einen eher unerfahrenen Fahrer an die Seite von Stroll, da er viele Sponsoren mitbrachte, bevor Robert Kubica 2019 dasselbe tat.

In der Konsequenz ist die Bezeichnung Paydriver sehr umstritten, da viele von ihnen in die Formel 1 kommen, obwohl sie es nach Ansicht einiger Fans nicht verdient haben.

Nikita Masepin war ein Beispiel dafür, als er für die Saison 2021 zu Haas wechselte, während das Chemieunternehmen seines Vaters, Uralkali, der Titelsponsor des Teams wurde. Dabei hatte der Russe seine Formel-2-Saison zuvor nur als Fünfter beendet.

Auch die Ergebnisse seiner Rookie-Kampagne trugen nicht dazu bei, sein Image zu verbessern, da er in jedem Qualifying langsamer war als Teamkollege Mick Schumacher. Denn sollte Masepin auch 2022 für Haas fahren. Die Invasion seines Heimatlandes Russland in der Ukraine führte dann aber zu einer vorzeitigen Trennung.

Doch nicht alle Paydriver haben ein begrenztes Talent. Jordan erhielt zum Beispiel 150.000 Pfund, um einem gewissen Michael Schumacher zu seinem Debüt zu verhelfen.

Und manchmal kann die finanzielle Unterstützung durch einen Fahrer einem Team auch helfen, wettbewerbsfähig zu sein. Denn wie kann ein Team ein konkurrenzfähiges Auto bauen, wenn es nicht über die nötigen Mittel verfügt? Manchmal stellt sich die Frage: Was ist wichtiger, ein talentierter Fahrer oder ein konkurrenzfähiges Auto?

Das Konzept des Paydrivers ist auch nicht auf die Formel 1 beschränkt. Im Sportwagenbereich wird der Begriff "Gentleman Driver" häufig für jemanden verwendet, der einen Rennplatz durch persönliche Mittel finanziert. Er kann aber auch für jemanden stehen, der ein Auto kauft, bevor sie sich mit einem Team zusammenschließt.

Vom "Gentleman Driver" ist aber vor allem im Sportwagenbereich die Rede, denn in vielen anderen Rennserien von der World Endurance Championship bis zur British GT bestehen die Teams in der Regel aus einem Profi- und einem Amateurfahrer.

Die Zukunft der Paydriver in der Formel 1

Paydriver sind aus zwei Gründen seltener geworden: die Einführung der FIA-Superlizenz und der kommerzielle Aufschwung, den die Serie in letzter Zeit erlebt hat.

Im Rahmen der Superlizenz muss ein Fahrer 40 Punkte sammeln, bevor er in die Formel 1 aufsteigen kann. Die Punkte werden auf der Grundlage der Platzierung eines Fahrers in anderen Kategorien vergeben, sodass nicht jeder, der Geld hat, in die Formel 1 aufsteigen kann. Er muss nun ein bestimmtes Niveau erreichen, um es zu schaffen.

Hinzu kommt, dass die Popularität der Formel 1 seit Anfang der 2020er Jahre zunimmt, was zu einem Anstieg des Wertes aller zehn Teams geführt hat. Ab 2024 ist Ferrari mit 3,9 Milliarden Dollar das wertvollste Team, selbst William kommt auf 725 Millionen Dollar.

Die Finanzen in der Formel 1 sind besser als je zuvor, was bedeutet, dass laut dem ehemaligen Teamchef von Toro Rosso/AlphaTauri, Franz Tost, "der Paydriver raus ist".

Günther Steiner, ehemaliger Teamchef von Haas, stimmt zu: "Früher hatte man Teams, die finanziell nicht stabil waren. Jetzt haben wir hier zehn sehr solide Teams, sodass niemand mehr auf einen Paydriver angewiesen ist, weil die Formel 1 so gut dasteht."

Paydriver in der Geschichte der Formel 1

Fahrer wie Stroll, Lauda, Schumacher und Masepin haben zwar alle einen Rennsitz durch finanzielle Unterstützung erhalten. Sie sind jedoch nicht die Einzigen, die im weitesten Sinne in die Kategorie Paydriver fallen. Hier sind einige weitere Beispiele.

Witali Petrow

Teams: Renault, Caterham

Grand-Prix-Starts: 57 (Bahrain 2010 - Brasilien 2012)

Siege: 0

Podiumsplätze: 1

WM-Titel: 0

Was ist ein Formel-1-Paydriver? Alles über den umstrittenen Begriff (1)

Witali Petrow wurde von Russlands Regierung unterstützt

Foto: Motorsport Images

Witali Petrow gab sein Formel-1-Debüt für Renault beim Grand Prix von Bahrain 2010 nach einer vielversprechenden Saison 2009, in der er Zweiter in der GP2-Meisterschaft wurde.

Trotzdem löste seine Beförderung viele Kontroversen aus, denn er erhielt den Platz, nachdem er sich die finanzielle Unterstützung seines Vaters und der russischen Regierung gesichert hatte, die ihm halfen, der erste russische Formel-1-Fahrer zu werden.

Petrows Unterstützung durch die russische Regierung war stark und vor der Saison 2011 plädierte der damalige Premierminister Wladimir Putin für noch mehr Support.

Die Saison begann mit einem Podiumsplatz in Australien vielsprechend. Doch Renault verpflichtete Petrow nicht für 2012, obwohl er mit Platz zehn in der Gesamtwertung 2011 sein Karrierebestresultat erzielte. Es war allerdings nicht das Ende seiner Formel-1-Karriere, denn Petrow wechselte für die Saison 2012 zu Caterham.

Diese Partnerschaft hielt dann aber nur ein Jahr, nachdem er keinen einzigen Punkt holen konnte. Danach nahm Petrow an der DTM-Saison 2014 teil, bevor er von 2016 bis 2019 in die WEC wechselte, wo er bei den 24 Stunden von Le Mans zwei Podien errang.

Pastor Maldonado

Teams: Williams, Lotus

Grand-Prix-Starts: 95 (Australien 2011 - Abu Dhabi 2015)

Siege: 1

Podiumsplätze: 1

WM-Titel: 0

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Pastor Maldonado gelang sogar ein Formel-1-Sieg: 2012 in Spanien

Foto: Motorsport Images

Pastor Maldonado war der erste venezolanische Formel-1-Fahrer seit 27 Jahren (Johnny Cecotto fuhr in der Saison 1984), als er in Australien 2011 sein Debüt für Williams gab.

Er erhielt den Platz, nachdem er 2010 den GP2-Titel gewonnen hatte, und bot Williams über die Ölgesellschaft PDVSA 30 Millionen Pfund pro Jahr an - ein Deal, der vom damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez persönlich genehmigt wurde.

Maldonado war im Laufe seiner Formel-1-Karriere umstritten, da er in eine Reihe von Unfällen verwickelt war, darunter elf im Jahr 2015, obwohl nicht alle seine Schuld waren.

Obwohl er ständig außerhalb der Punkteränge fuhr, hatte Maldonado seinen großen Tag, als er den Grand Prix Spanien 2012 gewann. Zunächst erbte er die Poleposition, weil der ursprüngliche Polesetter Lewis Hamilton in die zweite Startreihe zurückversetzt wurde.

Dann verlor er am Start die Führung zwar an Fernando Alonso, holte sie sich aber durch einen Undercut beim ersten Boxenstopp zurück. Als Kimi Räikkönen einen längeren vorletzten Stint fuhr, musste Maldonado ein weiteres Mal überholen, um die Führung zu übernehmen. Einen späten Angriff von Alonso wehrte er schließlich ab.

Damit bescherte der Venezolaner Williams den ersten Sieg seit acht Jahren und auch den letzten bis zum heutigen Tag. 2014 wechselte er von Williams zu Lotus, doch diese Partnerschaft dauerte nur zwei Jahre, da die Finanzierung durch Maldonados Sponsor Ende 2015 auslief und er seinen Formel-1-Sitz daraufhin verlor.

Maldonado wurde 2016 und 2017 Testfahrer für Pirelli, bevor er 2018/19 in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC antrat, wo er Dritter in der LMP2-Klasse wurde.

Rio Haryanto

Team: Manor

Grand-Prix-Starts: 12 (Australien 2016 - Deutschland 2016)

Siege: 0

Podiumsplätze: 0

WM-Titel: 0

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Rio Haryantos Intermezzo in der Formel 1 hielt keine ganze Saison

Foto: LAT

Rio Haryanto war der erste Indonesier, der jemals in der Formel 1 antrat, als er beim Grand Prix von Australien 2016 sein Debüt für Manor gab. Er erhielt den Platz, nachdem er 2015 Vierter in der GP2-Meisterschaft geworden war, aber vor allem, weil er von der Ölgesellschaft Pertamina für die ersten elf Grands Prix finanziert wurde.

Manor erlaubte Haryanto dann, den 12. und letzten Grand Prix vor der Sommerpause zu bestreiten, bevor er mitten in der Saison entlassen wurde, da er zusätzliche sieben Millionen Euro benötigt hätten, um die komplette Saison zu beenden.

Esteban Ocon ersetzte Haryanto, der Testfahrer bei Manor wurde, bevor er nach einer insgesamt enttäuschenden Formel-1-Karriere, in der er keinen einzigen Punkt holen konnte, zur GT World Challenge Asia und der Asian Le Mans Series wechselte.

Nicholas Latifi

Team: Williams

Grand-Prix-Starts: 61 (Österreich 2020 - Abu Dhabi 2022)

Siege: 0

Podiumsplätze: 0

WM-Titel: 0

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Nicholas Latifi musste die Formel 1 nach drei Saisons erfolglos verlassen

Foto: Motorsport Images

Nicholas Latifi war ein weiterer Paydriver, der für Williams antrat. Er wurde für die Saison 2020 von seiner Rolle als Testfahrer befördert und argumentierte, dass er diese CHance mit seinem zweiten Platz in der Formel-2-Wertung 2019 verdient hätte.

Die Fans bezeichneten ihn dennoch als Paydriver, weil der Kanadier von einem großen Sponsor unterstützt wurde, unter anderem von der Firma seines Vaters, Sofina Foods.

Dabei half Latifi auch nicht, dass er von Anfang an Probleme hatte, denn er beendete seine Rookie-Saison mit null Punkten und schaffte es nicht einmal, seinen Teamkollegen George Russell im Qualifying zu schlagen. In seinem zweiten Jahr lief es besser, da er immerhin zweimal schaffte, in die Punkteränge zu fahren.

Beim Grand Prix von Abu Dhabi 2021 geriet er jedoch aus dem falschen Grund in die Schlagzeilen, als sein Crash im umstrittenen Titelkampf zwischen Hamilton und Max Verstappen eine späte Safety-Car-Phase auslöste, die die WM entscheiden sollte.

Latifi ging dann 2022 in das entscheidende letzte Jahr seines Vertrags, in dem er mit Alexander Albon einen neuen Teamkollegen hatte, da Russell zu Mercedes wechselte. Doch Latifi wurde erneut von einem Teamkollegen geschlagen. Nur ein einziger Punktgewinn in dieser Saison führte dazu, dass Williams seinen Vertrag nicht verlängerte.

Dies war auch Latifis letztes Jahr im Motorsport, da er sich nach der Saison 2022 zurückzog, um einen Master of Business Administration an der London Business School zu machen.

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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